Die Besucher des Naturhofes haben die Möglichkeit, das Brutgeschehen von der Ankunft bis zum Abflug unmittelbar mitzuerleben. Eine am Nest installierte Videokamera überträgt die Bilder in das Storchencafé.
Der Weißstorch ist in besonderer Weise mit der Kulturgeschichte des Menschen verbunden. Er gilt als Fruchtbarkeitssymbol und Glücksbringer und wird auch heute noch jedes Jahr aufs Neue als Frühlingsbote freudig begrüßt. Wir begegnen ihm in Märchen und Sagen, in Fabeln und Gedichten, Kinderliedern und –reimen. Viele Ortschaften führen einen Storch im Stadtwappen, was auf die ehemals starke Präsenz dieses Großvogels hinweist.
Der Weißstorch ist ein typischer Kulturfolger. Er benötigt offene Landschaften und konnte in unseren Breiten erst heimisch werden, als der Mensch begann, Wälder zu roden und Landwirtschaft zu betreiben. In der Nähe des Menschen baut er sein Nest gern auf Hausdächern, Strommasten oder stillgelegten Schornsteinen.
Entscheidend für die Ansiedlung von Störchen ist jedoch das Vorhandensein von naturbelassenen Landschaften, in denen sie für die Dauer der Aufzucht ihres Nachwuchses ein ausreichendes und vielseitiges Nahrungsangebot vorfinden. Diese idealen Bedingungen sind in Deutschland selten geworden. Vielfach wurde ihr Lebensraum durch die Entwässerung von Feuchtwiesen, intensive Landwirtschaft und die Umwidmung von Grünland zu Bauland zerstört. So lässt sich denn auch erklären, warum der Bestand des Weißstorches in den letzten 80 Jahren in Deutschland um zwei Drittel gesunken ist. Auch wenn zurzeit wieder eine Bestandszunahme zu beobachten ist, gehört der Weißstorch nach wie vor zu den bedrohten heimischen Arten.
1971 siedelten sich im Ort Malchow erstmals seit Kriegsende wieder Störche an. Noch in den 1930er Jahren gab es hier und in weiteren Ortschaften am nordöstlichen Stadtrand Berlins insgesamt 10 Brutstandorte. In dieser Landschaft, die einst von der Rieselfeldwirtschaft geprägt war, fanden Störche optimale Lebensbedingungen vor. Geblieben sind staunasse und zeitweise überschwemmte Wiesen, die naturverträglich bewirtschaftet werden, Wassergräben und kleine Tümpel. Das sind Naturräume, die eine reichhaltige Nahrungspalette bieten, zu der neben Kaulquappen, Fröschen und Ringelnattern auch Regenwürmer, Insekten und Mäuse gehören.
Das auf dem Schornstein einer ehemaligen Gärtnerei in der Dorfstraße 36 errichtete Nest wurde 20 Jahre lang von vielen Storchenpaaren erfolgreich genutzt. 2002 zogen sie auf einen alternativen Nistplatz um, den der damalige Energieversorger BEWAG in einer größeren Entfernung zu den Freileitungen errichtet hatte. Dies geschah in der Hoffnung, dass es in Zukunft weniger tödliche Kollisionen mit den Freileitungen geben würde. Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Erst als an den Leitungen Sichtmarkierungen für Vögel angebracht wurden, gab es weniger Unfälle. Währenddessen hat das alte Nest von seiner Attraktivität offenbar nichts verloren.
Infos zum Bruterfolg bei den Malchower Störchen – Statistik seit 2004 fortführend
Elternzeit 2024 bei den Weißstörchen: Drei Küken auf dem Malchower Schornsteinnest
Am Dienstag, dem 26. März 2024 landete ein Storchenmännchen auf dem Nest des Schornsteins der ehemaligen Gärtnerei, welches man vom Naturhofgelände in Berlin-Malchow beobachten kann. Am 30. März 2024 hatte sich ein Weibchen dazu gesellt. Vermutlich tragen beide Störche keinen Ring. Das Paar bebrütete die Eier abwechselnd vier Wochen lang (im Durchschnitt 33 Tage).
Trotz der relativen frühen Ankunft beider Altvögel Ende März und lautstarkem Geklapper im April, konnte das Team vom Naturschutz Berlin-Malchow erst heute den geschlüpften Nachwuchs bestätigen. Bisher konnten mittels Fernglas und Fotos drei Küken im Nest gesichtet werden. Jedes Jahr fiebert das Team vom Naturschutz Berlin-Malchow mit, dass der Nachwuchs es bis zum Flüggewerden im Sommer schafft. Im frühen Sommer werden zumindest die Jungvögel von Jens Scharon ( Berliner Ornithologische Arbeitsgemeinschaft ) beringt werden. Die Ringe stammen von der Beringungszentrale auf Hiddensee. Die erfassten Daten werden dort gesammelt und jährlich ausgewertet.
Auch dieses Jahr wird die Aufzucht der Jungvögel eine Herausforderung werden. Ein entscheidender Faktor ist das Nahrungsangebot in der unmittelbaren Umgebung. Störche finden besonders passendes Nahrungsangebot auf Wiesen und Äckern, die einen mäßig hohen Bewuchs haben. Ebenso nimmt das Wetter, vor allem viele kalt-nasse Tage, auf den Gesundheitszustand der Küken starken Einfluss. Im letzten Jahr konnte ein Jungstorch erfolgreich das elterliche Nest in Malchow verlassen.
In Berlin gibt es an drei Standorten Nester, die der Weißstorch derzeit aktiv nutzt. Zwei davon befinden sich in Lichtenberg, das dritte liegt in Blankenfelde in Pankow. Die Umgebung der Nester besitzt einen dörflichen Charakter und mit der Lage am Stadtrand ergibt sich die Grundlage für die Nahrungssuche, mehr und weitläufige Freiflächen, die sich bis ins angrenzende Brandenburg erstrecken. Immer stärker geraten diese Freiflächen in den Fokus anderer Nutzungen wie Wohnbebauung, Straßenplanungen oder Windkraftanlagen. So fallen diese wertgebenden Nahrungsflächen für den Weißstorch weg und machen die Umgebung unattraktiv für die Wahl als Nistplatz.
Als Storchenfan und Naturhof-Besucher können Sie aktuell das Storchenpaar während der öffentlichen Besuchszeiten des Naturhofes beobachten. Es lohnt sich, einen Feldstecher einzupacken, so sind die Störche und auch die Turmfalken mit ihrem Nachwuchs auf dem Gelände gut zu beobachten.
Foto: Storchenpaar mit Nachwuchs auf dem Schornsteinnest der ehemaligen Gärtnerei in Berlin-Malchow.
Bildautor/Fotorechte: Naturschutz Berlin-Malchow